Ekstatische Kabbala

Die ekstatische Kabbala ist eine prophetische Strömung der Kabbala.

Diese Richtung wurde von Abraham ben Samuel Abulafia(* 1240 Saragossa, Aragón; gestorben ca. 1291 Barcelona, Aragón) gegründet, einem sephardischen Rabbiner und Philosophen.

1284 verkündete Abulafia auf Sizilien nach Beschäftigung mit der Sephiroth-Lehre, der hebräischen Buchstabenmystik sowie der Deutung der Gottesnamen, dass sich in ihm die messianische Hoffnung seines Volkes erfüllt habe. Rabbi Aryeh Kaplan weist darauf hin, dass wenn Abulafia über sich als Gesalbtem spricht, er seine persönliche Erleuchtung andeutet und sich nicht als der Messiah ansah.

1281 versuchte Abulafia, Papst Nikolaus III. zum Judentum zu bekehren. Der Papst verstarb jedoch in der Nacht unmittelbar vor Abulafias Ankunft. Abulafia entging knapp dem Scheiterhaufen und wurde nach 28 Tagen im Kollegium der Franziskaner freigelassen.

Abulafias prophetische und messianische Äusserungen veranlassten Salomo Adrets Gegenreaktion, der den Einfluss der ekstatischen Kabbala in Spanien erfolgreich verhinderte. In Italien wurden Abulafias Werke wie ins Latein übersetzt, wo sie etwas bei zur Formation der Christlichen Kabbala beitrugen. Im Nahen Osten wurde die ekstatische Kabbala bedenkenlos akzeptiert.

Während seiner letzten Jahre lebte Abulafia als Reisender in Italien, und von 1291 an verlieren sich seine Spuren, vermutlich starb er 1292 in Barcelona.

Titelblatt aus 'Licht des Intellekts'

Lehre

Abulafia lehrte, der Mensch könne in der Ekstase Zugang zu seinem innersten Wesen erlangen. Er wollte seiner mystischen Erkenntnismethode 'Straße der Begriffe' zum Durchbruch verhelfen. Diese Disziplin vervollständigte die 'Straße der Sephiroth'.

Abulafia konzentriert sich in seinen Werken auf Verfahren der Vereinigung mit dem 'Intellectus agens' durch Rezitieren von Gottesnamen. Dazu gehören Atemtechniken und befreiende Praktiken.
Mit dem metaphysischen und psychologischen System des Maimonides(Mosche ben Maimon; * 1135 in Córdoba; gestorben 1204 in Kairo) strebte Abulafia nach spiritueller Erfahrung, die ihn in einen prophetischen Zustand versetzte, vergleichbar mit dem der Nevi’im der ersten Propheten Israels des Tanach.

Abulafia lehrt dazu eine Methode, die auf einem kontinuierlich wechselnden Anreiz basiert. Seine Intention ist es, nicht durch Meditation das Bewusstsein zu entspannen, sondern es mittels einer angespannten Konzentration zu entlasten, die es erfordert, viele Dinge gleichzeitig zu tun. Das Mittel dazu sind die hebräischen Buchstaben.

Diese Meditationstechnik beinhaltet vier Schritte:

  1. Vorbereitung durch Fasten, Tragen des Tefillin (Gebetsriemen), tragen reiner weißer Kleidungsstücke.
  2. Niederschreiben bestimmter Buchstabengruppen und deren Permutationen.
  3. Gesang von Buchstaben in Verbindung mit spezifischen Atemmustern und Kopfbewegungen
  4. Mentale Vorstellung von Buchstaben und menschliche Formen(Imrei Shefer): Der Kabbalist imaginiert eine menschliche Form und sich selbst ohne Leib. Dann zeichnet er mental die Buchstaben und projiziert sie auf den Schirm kraft seines Vorstellungsvermögens, wobei er sich die Buchstabenstruktur vorstellt. Dann rotiert er die Buchstaben usw.

Dabei entstehen vier Erfahrungen

  1. Illumination, in der Licht den Leib umgibt und ihn auch durchdringt
  2. (Anfängliches) Schwächerwerden des Leibes in einer absorptiven Weise
  3. Gefühl der Erhöhung der Gedanken und der Vorstellungskraft
  4. Angst und Zittern

Abulafia betonte, das Zittern sei ein grundsätzlicher und notwendiger Schritt, um zur Prophetie zu gelangen.

Im Otzar Eden Ganuz stellt Abulafia dazu fest :...und du wirst in dir einen anderen Geist erwachend fühlen, der dich kräftigt, durch deinen ganzen Körper fährt und dir Freude gibt.

Erst durch Passieren dieser Erfahrungen erreicht der Mystiker sein Ziel der Vision einer menschlichen Gestalt, die seiner eigenen physischen Erscheinung ähnelt. Dann beginnt dieser Doppelgänger mit dem Mystiker zu sprechen, ihm das Unbekannte zu lehren und die Zukunft zu offenbaren. Nach dem Sefer ha-Cheshek ist diese dem Mystiker erscheinende menschliche Gestalt sein mystisches "Ich".

Werke

Abulafia verfasste 26 theoretische Schriften sowie 22 prophetische Werke. Von letzteren ist nur das „Sefer ha'Oth“ (Buch des Zeichens bzw. Buchstabens) überliefert.

Erst Ende der 1990er Jahre wurde Abulafias Gesamtwerk in Mea Shearim, Jerusalem im hebräischen Originaltext veröffentlicht. Sein prophetisches Buch Sefer Ha-Ot (Das Buch der Zeichen), ist eines der wenigen vorher veröffentlichten.

  • Imrei Shefer, 1291
  • Licht des Intellekts(1285)
  • Otzar Eden Ganuz (Verschlossener Garten), Abulafias Kommentar zum Sefer Jetzirah
  • Sefer ha-Cheshek


Abulafias Kabbala inspirierte eine Reihe von Schriftwerken zu seiner Prophetischen Kabbala gehören, die aufzeigen, wie man extrem mystische Erfahrungen erreicht. Die wichtigsten unter ihnen sind:

  1. Sefer ha-Tzeruf eines anonymen Autors. Es wurde durch Pico ins Latein übersetzt.
  2. Sefer Ner Elohim und Sefer Shaarei Tzedek von Rabbi Nathan ben Saadiah Harar.

Literatur

  • Moshe Idel: The Mystical Experience in Abraham Abulafia. SUNY Press, Albany 1988, ISBN 978-0-88706-552-1.
  • Moshe Idel: Language, Torah, and hermeneutics in Abraham Abulafia. SUNY Press, Albany 1989, ISBN 978-0-88706-831-7.
  • Moshe Idel: Studies in Ecstatic Kabbalah. SUNY Press, Albany 1988, ISBN 978-0-88706-605-4.
  • Abraham Abulafia: Sefer Ha Ot – The Book of the Sign, Providence University, Mul edition, 2007, ISBN 978-1-897352-05-2.
  • Abraham Abulafia und die mystische Erfahrung, Moshe Idel. deutsche Übers. von Eva-Maria Thimme, Jüdischer Verl. 1994 ISBN 978-3-633-54089-1 ISBN 3-633-54089-X

Weblinks